27. Dezember 2017 °seb 0Comment

Die letzte Episode in Japan findet in Fukuoka statt und geht in Zorn über. Wenn einer noch einen Beweis dafür gebraucht hatte, dass ein Land deutscher als Deutschland sein kann, regelversessener als ein Skatturnier und kleingeistiger als eine Hummel – wir haben da was vorbereitet. 

Die Stimmung war moderat. Regen. Und dann noch im hinterletzten Doppelstockbett vom Schlafsaal (0 bis 1 Balken Wifi) zu einem absurden Preis (zusammen 34€ pN). Diese Preise sind normal sobald man die zentralen Touristengebiete verlässt. Auch ein Grund warum wir uns eine Rundreise über Shikoku (die kleinste der größeren Hauptinseln) verkneifen mussten – es gab quasi keine Unterkunft zu unter 40€. Ersatzweise wollten wir länger auf Kyushu verbringen – die zweitkleinste der Hauptinseln, auf der einige hübsche Vulkane, Bahnstrecken und das unrühmliche Nagasaki liegen. Wir hatten also einiges an Zeit reserviert, wollten ein wenig entspannen und die Insel mit der Bahn abfahren. Und genau das letzte Vorhaben wurde durch systematisch-japanische Bahnplanungskleingeister gekreuzt.

Hintergrund: Es gibt JR-Kyushu Railpasses speziell für diese Insel, diese kann man für die gesamte Insel, Nordteil oder Südteil kaufen. Wobei der Südteil recht günstig für knapp 55€/3 Tage zu bekommen ist und einige schöne Züge bereit hält, inkl. Dampflok, Sonderzüge, etc. Problem sind die japanischen Bahner die sich folgende Systematik überlegt hatten:

  • Online geht gar nichts, außer absurd unübersichtliche Infowebseite, Abfahrtszeiten aller Züge auf 10 seitigen PDFs
  • Züge haben abstruse, japanische Namen (Sonderzüge!!!11!!elf!), die man sich über mehrere Seiten merken muss, um einen Ablaufplan zu machen
  • Der Railpass kann nur gekauft werden, wenn man sich auf Kyushu befindet
  • Gültige Reservierungen dürfen erst (am Bahnhof) gemacht werden, wenn man den Pass erworben hat
  • Züge fahren z.b. viermal am Tag, davon ist die Hälfte nur mit Sitzplatzreservierung, die andere Hälfte nicht, alternativ fährt die Hälfte nicht die volle Strecke und statt einem Sonderzug über die gesamte Strecke muss man 2 mal umsteigen, dort aber wieder auf die Anschlusszüge Reservierung Ja/Nein achten

Ihr kommt nicht mehr mit? Jawollja, ich habe ungefähr 5h auf der Webseite verbracht, bis ein löchriges Verständnis vorhanden war. Das fängt ja gut an, wir kommen also 3 Tage vorher auf Kyushu an und müssen hoffen, dass die ganzen Sonderzüge noch genug Sitzplätze haben. Wir also gleich nach der ersten Nacht zum Bahnhof. Guter Schlaf auch – Dorm!!!1! Schön Dinge runterwerfen, nachts einziehen, Licht an & nicht wieder ausmachen, Koffer umschmeissen und überhaupt.

Angekommen am Bahnhof, zum Ticketschalter – nein, nicht dieser Ticketschalterbereich – natürlich zum anderen Ticketschalterbereich schräg gegenüber und dort zu einem einzelnen Informationsstand extra für den Railpass. Wünsche geäußert, verständnislose Blicke geerntet. Zuallererst nach den Reservierungen gefragt – darauf sind sie doch am Infostand sicher vorbereitet. Weit gefehlt, sie können es nicht nachschauen. Sie schreiben sich das auf einen Notizzettel (oder merken es sich falsch), gehen rüber zum echten Ticketschalter und fragen die Kollegen mit den Computern, kommen zurück sagen Ja/Nein/Vielleicht. Änderungen gefällig, ein Zug ist voll, andere Planung, Datum falsch gemerkt? Ok, gleich nochmal rüber zum Kollegen mit dieser Zaubertechnik in der Reservierungen überprüft werden können. Und dann gesellte sich zu den obigen Regeln eine hübsche neue Regel hinzu und die war die Krönung:

  • Der Pass für die Südinsel darf nur in seinem Gültigkeitsbereich gekauft werden

Wir waren gerade auf dem beschissen größten Bahnhof des JR-Kyushu Bahnsystems und durften das beschissene Ticket für die beschissene Südinsel nicht kaufen? Auf die Nachfrage, ob man denn am beschissen größten JR-Kyushu Bahnhof wenigstens beschissene Reservierungen machen kann und dann einlöst, wenn man am erstbesten beschissenen Südinselbahnhof angekommen ist und dort gnädigerweise sein beschissenes Ticket käuflich erwerben durfte, gab es ein freundliches Nein. Hör auf zu Lächeln, man!

Der Plan war gestorben und wir voll mit Zorn. Uns war danach, den Müll falsch zu trennen und bei Rot zu gehen. Fuck-You-Oka! Also vorgebuchte Unterkunft im Süden stornieren, das ging zum Glück. Neue Unterkunft in Fukuoka dazubuchen, bzw. hatten wir schon eine echte kleine Wohnung von AirBnB – die konnten wir nach vorne verlängern. Wenigstens etwas. Aber jetzt hatten wir insgesamt 7 Nächte in dieser Stadt zuzubringen:

  • Kostenlose Führung durch Asahi-Brauerei um 11:00 Uhr morgens, Brauerei war abgeschalten und wurde repariert – toll, dafür 3 kostenlose Bier
  • Sehr guter, günstiger Ramen-Laden
  • 90-Yen / Teller Fließband-Sushi
  • Die Leute in der Hostelküche täglich mit “selberkochen” aus dem Konzept bringen, ja es gab immer noch Udon-Nudeln mit Tütensauce, gekauft in einem Supermarkt mit der schlimmsten Kindermusik in Dauerschleife


Supermarkt mit Sound!

  • Nanzoin Tempel mit liegendem Buddha, siehe oben
  • Im Fukuoka Disaster Prevention Center beim Kinderlehrgang auf japanisch, inklusive Feuerlöschsimulation, Erdbebensimulator, Sturmsimulator, Bei-Flut-vor-Autotür-aufdrücken-Simulator, durch dunkle, verrauchte Gänge fliehen
  • Im Sturmregen zum Fließbandsushi, mehr Leute in der Schlange als Montagmorgen beim Allgemeinarzt, ergo Fließbandsushi durch Supermarktsushi mit 7-11 Weißwein ersetzt
  • Eine ganze, kleine Wohnung nur für uns


Eine echte kleine Wohnung – Halleluja

Abflug nach Hongkong – Endlich!

Wir dachten Auf Nimmerwiedersehen Japan, aber da wir jetzt zwei Monate Abstand und alle Fotos durchgeschaut haben, müssen wir es ein bisschen einschränken. Japan hatte unfassbar viel zu bieten, war unfassbar anstrengend und der Abflug nach HongKong war in dem Moment das Beste was uns passieren konnte. Aber rückgängig machen – das vielleicht nicht. Japan ist anstrengend-gut.

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