21. November 2017 °seb 0Comment

Mit einem finanziellen Verlust von einer Übernachtung haben wir Xi’an vorzeitig in Richtung des recht bekannten und heiligen Hua Shan Gebirge verlassen. Die Stimmung musste dringend aufgebessert werden und weniger Menschen, günstige und weniger gammelige Unterkünfte plus Natur sind dafür gut geeignet.

Es begann mit einer weiteren Enttäuschung – die Chinesen binden quasi jedes wichtige wirtschaftliche oder touristische Ziel in ihr Schnellbahnnetz ein und streichen die billigen langsamen Züge zusammen. Das hat neben dem Zeitgewinn einen offensichtlichen und einen weniger offensichtlichen Nachteil – 1. die Karten sind deutlich teurer und 2. die separaten Schnellbahnhöfe werden in Erwartung der künftigen Stadtentwicklung kilometerweit außerhalb geplant, um bestenfalls noch an mehrere Städte angebunden zu werden. Heißt also, dass man mit Taxi & Shuttle zum Bahnhof muss oder einmal am Ziel angekommen, in der Pampa steht, man fühlt sich wie auf einem Provinzflughafen. Grüßle München-Memmingen! Die einzige Alternative sind Busse, aber denen sagt man nach, sie würden gerne von übermüdeten, aufgeputschten Wahnis gelenkt. Die Sache liegt also klar auf dem Tisch – wir nehmen einen Bus von Xi’an nach Huashenzhan (10€/2P).

Dieses beschauliche Dorf liegt am Fuße des Hua Shan Gebirge, es gibt Unterkünfte nach Lage und Verhandlungsgeschick (für uns 10€/N) sowie provinztypische, grandiose BiangBiang-Nudeln. Es gerüchtet sich, dass ein findiger Geschäftsmann vor ein paar hundert Jahren für diese Nudeln alles in ein Zeichen kombinierte, was mit einem guten Nudelgericht zu tun hat. Außerdem gibt es ein Gedicht von 11 Zeilen Länge damit man sich das Ding merken kann. ¯_(ツ)_/¯…Chinesen, ey

Nudelzeichen via wikipedia

Per Bus angekommen, zweimal wegen Unterkunft angesprochen worden, beim dritten Mal mit Nachgucken und Verhandeln ein Zimmer genommen. Im Dorf gibt es noch einen entspannten Gratistempel gleich hinter dem “Dorfplatz”. Letzterer taugt allabendlich noch als riesige Tanzfläche, und nebenher haben ein paar Chinesen in dem Dorf offensichtlich das Hobby Synchron-Peitschenknallen entdeckt. Jawoll, genau was ihr denkt. Mit einer überdimensional langen Peitsche wird stundenlang elegant herumgeknallt. Kannste dir nicht ausdenken, sowas. Chinesen, ey.

Was macht man aber eigentlich im Hua Shan Gebirge?

Theoretisch zahlt man knapp 25€ Eintritt, fährt für 10€ per Seilbahn auf den Nordgipfel, wandert jeden Gipfel (einer je Himmelsrichtung + ein zentraler) ab, geht eventuell noch auf den Plankenweg (gefährlichster Spaziergang der Welt, völlig überlaufen von Selfietouristen) und fährt abschließend zu 18€ mit einer anderen Seilbahn ins Tal. Beliebt ist auch eine Nacht auf dem Berg, es gibt teure Unterkünfte, 30€ für ein Dormbett zusammen mit diesen flegeligen Chinesen, die ab um 4:00 zum Sonnenaufgang rammeln.

Zeitig am Morgen ging es also ins Gebirge, °annes’ AOK Versichertenkarte hatte tadellose Dienste am Einlass geleistet, so ein Studenticket für die Hälfte ist schon etwas, leider habe ich meine wegen Bodennebel in Deutschland liegen gelassen. Die Seilbahn aufwärts haben wir nicht genommen, so spart man sich 10€ pro Nase und hat was von den chinesischen Bergen ohne Berge von Chinesen! (höhöhö! bald ist er tot, der Witz!). Dummerweise verpflichtet man sich damit allerdings zu einem knapp 4-stündigen Aufstieg, oder in Zahlen 6km und 1100 Höhenmeter. Dazu Stufenabschnitte von mehreren dutzend Metern die irgendwelche bekloppten Mönche im 70° Winkel in die Felswand gehauen haben. Angelangt am ersten Gipfel mischt sich ein schwacher Strom von erschöpften Wanderern (die Coolen!) mit einer lauten Masse an sightseeing- und selfiewütigen, gut ausgeruhten Seilbahnchinesen (die Langweiler!). Chinesen, ey.

So gingen wir noch ca. 3h in ziemlich brütender Sonne von Gipfel zu Gipfel, von wahnsinniger Aussicht zu wahnsinnigem Abgrund und weiter zur nächsten wahnsinnigen Aussicht. An mehreren Gipfeln geht es hunderte Meter senkrecht nach unten, da wird einem ein bisschen anders. Die 90° Treppe haben wir mitgemacht, sieht einfacher aus als es ist – vor allem bei einsetzendem Muskelkater und wackligen Beinen. Mit wiedermal paar-und-zwanzigtausend-Schritten endeten wir erschöpft in der Seilbahn, die einen in einer aberwitzigen Streckenführung wieder ins Tal bringt, grandios.

Eine chinesische Attraktion wäre keine solche, wenn sie nicht mit was anständig bekloppten enden würde. Kaum hat man also die Seilbahn verlassen, wird man vor die Wahl gestellt, ob man nicht für weitere 5€ eine Sommerrodelbahn zum überdimensionalen Busbahnhof (ausgelegt auf bis zu 50.000 Gäste pro Tag) runter fahren möchte. War ja noch nicht teuer genug der Tag. Go big or go home! Chinesen, ey.

Zurück im Dorf wurde der Tag mit BiangBiang Nudeln und Bier beendet. Den nächsten Tag konnten wir fachmännisch mit herumgammeln, lesen und Essen füllen. Dann ging es mit dem Bus zurück nach Xi’an, von hier sollte uns ein Nachtzug zum nächsten heiligen Gebirge bringen. Klingt quasi gleich, liegt aber wo völlig anders, um genau zu sein lagen rund 15 Zugstunden vor uns. Hurra! Zugfahren! Mit Chinesen! Wir freuten uns auf Gurgelrotzgeräusche und Raucherkneipenatmosphäre satt! Chinesen, ey!

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