8. November 2017 °anne 0Comment

Man war wohl nicht wirklich in China, ohne die Große Mauer gesehen zu haben. Halt. Stopp. Drauf gewesen war. Dieses Wahnsinnsbauwerk steht in allen Reiseführern und Weltreiseblogs, jeder hat schon von ihr gehört und weiß dass man sie NICHT vom Mond aus sehen kann und bevor man nicht drauf stand, hat man keinen Schimmer wie verrückt die Chinesen waren, so was zu bauen!

Fakten, Fakten: laut den Chinesen ist die Mauer mehr als 8800 km lang und mit allem aus allen Jahrhunderten zusammen wohl sogar mehr als 21.000 km. Mitgezählt wird dabei jeder Stein, jedes Fundament, jeder Lehmklumpen. Tatsächlich ist der Großteil in einem schlechten Zustand, also verwuchert, eingestürzt, vielleicht lag da mal ein Stein der zur Mauer gehörte, der jetzt im Haus der Dorfbewohner steckt. Eigentlich kein Wunder, schließlich wurde schon im 7. Jahrhundert v. Chr. angefangen zu bauen. Nur wenige Abschnitte rund um Beijing sehen so wie auf den Hochglanzfotos aller Weltreisenden aus: ein langes Band Mauer mit Wachtürmen zieht sich über die Berge, gefüllt mit Touristen und ihren Selfiesticks. Letztlich gibt und gab es nie die eine lange Mauer, die sich durch das ganze Land zieht. Die verschiedenen Kaiser und Herrscher haben hier und da mal ein Stück gebaut, so dass heute in 15 Provinzen Chinas Teile zu finden sind. Und seinen eigentlichen Zweck hat das größte Bauwerk der Welt (vong Volumen und Masse her) auch nicht erfüllt, die Mongolen sind trotzdem eingefallen.

Da wir keinen Selfiestick besitzen und sowieso nur off-the-beaten-path Weltreisende UND totale Wanderfans sind haben wir uns den Mauerteil bei Huanghuacheng rausgesucht. Sollte was von alt und neu haben, viel Natur, wenig Eintrittskosten und keine Touristen. (Muss man wissen – kurz vorher schauen ob Abschnitte geöffnet sind oder grad von den Chinesen zu neuen Touristenhochburgen aufgemotzt werden ist ratsam. Wir hatten erst Jinshanling auf dem Plan, war aber im Bau und unzugänglich. Außerdem sind die Chinesen inzwischen flott im Bauen und/oder Abreißen – gestern noch alte Huntongs, heute Hochhaus, gestern alte Mauerbruchstücke, heute schicker Nationalpark.)

Wie kommt man also da hin: ab dem Busbahnhof Dongzhimen in Beijing sind wir mit dem Bus #916 bis nach Huairou gefahren (24 Kwai/3,15€/2 P.). Dabei sollte man sich bestenfalls nicht von den Touristenfängern vor der Endhaltestelle aus dem Bus zerren lassen! Ernsthaft! Da steigen an Haltestellen Taxifahrer ein, die dich anschreien du müsstest hier raus! Am Busbahnhof wollten uns natürlich alle erzählen es gäbe keinen Bus nach Hunaghuacheng, NUR Taxis. Klar. Um eine Straßenecke herum haben wir Dank eines jungen Chinesen dann doch noch die richtige Haltestelle gefunden und sind mit Bus #21 nach Huanghuacheng gedüst (18 Kwai/2,35€/2 P.). Immerhin waren 6 andere westliche Touristen im Bus, konnte also nur richtig sein. Laut google.maps sind wir in Shihuyucun ausgestiegen und haben uns dort ein simples Doppelzimmer an der Straße gesucht (13€/Nacht). Im gleichen Miniort war der Aufgang zum Mauerstück unserer Wahl (auf maps.me besser zu sehen als google.maps): über den Fluss, einen kleinen Weg hinauf und an einem kleinen Gatter 10 Kwai pro Person an die “Torwächterin” zahlen, durch einen Obstgarten steil hoch zur Mauer und schon standen wir drauf! Wahnsinnig! Riesig! Schön! Trotz Smog³ konnten wir die nächsten einzwei Wachtürme sehen und sind dann knapp 2km Richtung Osten gewandert. Jaaa, es ist nämlich kein leichtes Herumschlawendern auf der Mauer! Steiler Anstieg ist als Beschreibung noch zu harmlos. Irgendeine der zwei Weltreisenden hatte einen Tag zuvor noch von 16 km-Wanderungen auf der Mauer geträumt, keine Ahnung welcher lonely planet-Wanderer das schaffen soll. Uns sind jedenfalls die Beine vor Anstrengung geschlackert, als wir vor dem letzten zerstörten Wachturm über eine Leiter wieder herunter geklettert sind. Die waren verrückt, die Chinesen, die hier vor Jahrhunderten Baumaterial hochgebuckelt haben um ihre Mauer am Bergkamm zu bauen.

Am nächsten Tag sind wir mit Snackkram vom einzigen Shop in unserem Mini-Ort ausgestattet wieder auf dem gleichen Weg hoch zur Mauer. Welche Kraftwerke in der Nähe die Chinesen auch immer abgestellt hatten – danke nochmal nachträglich, denn wir hatten Sonne pur und Aussicht bis unendlich ohne Smog oder ernsthafte Wölkchen! Die Gatterwächterin ist noch schnell vor uns in ihre Klamotten gehüpft um uns wieder den Eintritt abzuknöpfen. Ein alter Opi hat das gleiche auf der Mauer nochmal probiert, leiiiiiider wollten wir uns aber nicht nochmal abziehen lassen.. Dieses Mal haben wir den Aufstieg Richtung Westen gewählt und auf dem ersten Wachturm erst mal gefrühstückt. Wieder Wahnsinn! Schön und wild! Diese 3km Wanderung war genauso anstrengend aber abenteuerlicher: durchs Gestrüpp so hoch wie ich, über einen kleinen ausgetretenen Weg, immer mit Stock voraus zum Spinnweben entfernen und Wolke aus Minifliegen hinterher, Kletterei hoch unter runter und neben der Mauer über einen nicht vorhandenen Weg mit 1-2 Schürfwunden an einem großen Stausee ankommen. Die Aussicht, die Einsamkeit, die wildness entschädigt für alles! Fazit: Muss man machen!

Hier beginnt dann das restaurierte und offizielle schickimicki Mauerstück von Huanghuacheng. Neu für die Touristen eröffnet. Anscheinend läuft die Werbekampagne aber nicht soo gut, wie die Einwohner gehofft hatten. Der kleine Ort ist voller Unterkünfte aber leer. Mit der bekannten Bus-Verbindung ging es für uns zurück nach Beijing. In unserem vorherigen Hostel schlauchten wir uns nochmal duschen und Internet, bevor wir in unsere verrückte Beijing-Abschiedsnacht mit Henning starteten. Nicht dass wir vorher schon mal viel essen waren (siehe Peking-Ente), aber ein mal die Karte hoch und runter bestellen und alles auf den Tischgrill brutzeln lassen toppt (immer noch) alles. In Mercedes-Massage-Sitzen durch die Hutongs kutschiert werden auch! Die nächsten ein-zwei-drölf Biere gehen dann auf uns, wenn wir deinen Stanford-Abschluss feiern. Schlangen-Schnaps-Gesöff bekommst du zurück! Danke für einen so krönenden Abschluss!

Lammschlacht

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